Aus diesem Anlass gratulieren wir Bernd Müller zu seinem Jubiläum und geben hier redaktionell gekürzt das Interview mit Bernd Müller wieder, welches von Marcel Hilbert (OTZ Redakteur Regionalbüro Gera) geführt wurde.

20. 6. 1990 – Den grünen DDR-Dienstausweis hat er noch. An die wilden Zeiten, in der er ihn erhielt, kann sich Bernd Müller gut erinnern. „In der ganzen Euphorie-Welle in der Wendezeit bin ich gefragt worden, ob ich zur Gemeinderatswahl antrete und dann habe ich mich für die LDPD aufstellen lassen.“

Der Posten des damals hauptamtlichen Gemeindechefs der damals eigenständigen Gemeinde wurde selbst nicht gewählt, den sollten der Gemeinderat aus seiner Mitte bestimmen. Doch wollte letztlich niemand den Posten. Bis sich Bernd Müller habe „beschwatzen“ lassen. „Ich war Schlosser und hatte keine Ahnung von Verwaltung – Ich wusste nicht, worauf ich mich einlasse.“

Schulschließung wirkt nach

Heute weiß er es, nach 30 Jahren an der Spitze des Geraer Ortsteils. Dafür kommt er zum eigenen Bedauern immer wieder zu einer anderen Frage: „Warum tue ich mir das noch an?“ Sein Vater stand ihm zu Beginn der Bürgermeistertätigkeit zur Seite. Er war es, der Bernd Müller darauf einstellte, dass man auf diesem Posten ein dickes Fell braucht und es nicht jedem recht machen kann. Ein Crashkurs und die Unterstützung der Agaer und später vieler guter Mitarbeiter der Stadtverwaltung halfen, sich zurecht zu finden.

Lob an diese Verwaltungsmitarbeiter ist ihm wichtig, sie seien nicht gemeint, wenn er sich mal wieder über „die Stadt“ ärgert. Auch wenn ihm viele kleinere und größere Beispiele einfallen, wo schlecht bis gar nicht mit dem Ortsteil kommuniziert wurde, wo Probleme durch eine Rückfrage bei den Menschen vor Ort hätten vermieden werden können, eine Sache hat das Verhältnis zur Stadt nachhaltig beschädigt, sagt Müller: die Schließung der Agaer Schule.

Ihr Erhalt war ein entscheidender Punkt im Eingemeindungsvertrag von 1994, sagt Müller. Damals gab es große Zustimmung zum Zusammengehen mit dem großen Nachbarn. „Zuerst gab es Ideen, mit Roben eine Einheitsgemeinde oder mit weiteren Norddörfern eine VG zu bilden“, erinnert sich der 61-Jährige. Dass er die Eingemeindung heute als seinen „großen Fehler“ bezeichnet, lässt tief blicken.

„Nicht, weil die Stadt nicht schön ist und alles zu bieten hat, was man so braucht. Der Fehler war, dass ich an das Motto glaubte: Stadt und Land, Hand in Hand.“ Schule, Windräder, Gärrestebehälter, die damalige Debatte um eine JVA-Ansiedlung, die Ausdünnung der Nahverkehrsanbindung, der Zustand der Infrastruktur: Das sind nur einige der Streitthemen der zurückliegenden Jahre, durch die sich viel aufgestaut habe, viel Vertrauen verloren gegangen sei.

Auch im Stadtrat engagiert

Sicher sei auch Positives entstanden. Angefangen gleich 1991 mit dem ersten großen Projekt unter Müllers Ägide, dem Neubaugebiet „Schleifenacker“. Wegen dem landete der unerfahrene Bürgermeister sogar vor Gericht. „Der Vorwurf, ich hätte mich persönlich bereichert, war nicht haltbar“, sagt er. Übrig blieb ein Verstoß gegen Kommunalrecht. Der Prozess kostete Zeit und Geld. Er fi el in die Zeit, da Müller auch über eine erneute Kandidatur nachdenken musste. „Es war wieder mein Vater, der meinte, ich sollte das machen. Sich nicht zur Wahl zu stellen, würde wie ein Schuldeingeständnis wirken.“ Also trat er an und wurde erneut gewählt.

Was die positiven Entwicklungen in den Folgejahren angeht, so nennt er den Biohof und das BTZ der Handwerkskammer, die „kleine Dorferneuerung“ Großaga, das als Privatinvestition errichtete Feuerwehrhaus in Kleinaga, die Entwicklung der Natur und Umwelt durch Ausgleichsmaßnahmen und – im Entstehen begriff en – die Schießsportarena in der ehemaligen Tongrube. „In den Stadtrat bin ich gegangen, weil man da einfach näher dran ist“, sagt er. Bei der jüngsten Wahl sei er auch von Ortsteilbürgermeister-Kollegen überredet worden, weiter Stimme des ländlichen Raums im Stadtrat zu bleiben. Dafür mache er das Ganze, um die Menschen im Dorf mitzunehmen. Doch es werde schwierig, wenn die Menschen sich enttäuscht zurückziehen.

Es wird richtig schwierig bei der Nachfolgersuche. „Nur Blitzableiter für den Frust der Dorfbewohner zu sein, macht auch keinen Spaß.“ Er wolle weiter für Aga da sein, dafür arbeiten, dass der Stadtrand „nicht ganz hinten runter fällt“. Solange er gesund ist, notfalls auch noch eine Amtszeit.